Finanz- und Konjunkturkrise 2008/2009:
IWI-Blitzumfrage: Auswirkungen auf die Automotive Zulieferindustrie Österreichs
Eine aktuelle Befragung des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI) in der Automotiven Zulieferindustrie Österreichs belegt, dass die jüngste Finanz/-Konjunkturkrise voll auf diesen für Österreich zentralen Sektor durchgeschlagen hat bzw. im Jahr 2009 noch deutlicher durchschlagen wird:
Neun von zehn Unternehmen sehen teils massive negative Auswirkungen auf Ihre Aktivitäten (Umsatzrückgang, Rückgang beim Auftragsvolumen etc. bis zur Schließung des Produktionsstandortes). Mehr als drei Viertel der Unternehmen litten bereits 2008 an den Auswirkungen der Finanz/-Konjunkturkrise; bei zusätzlichen 16% schlägt die Krise mit einer etwa halbjährlichen Verzögerung durch.
Je stärker die Automotive Durchdringungsrate in den betroffenen Unternehmen, desto schwieriger die Situation. Etwa ein Drittel der Automotiven Zulieferindustrie ist ausschließlich im Automotiven Bereich aktiv. Zu 95% sind in dieser Gruppe negative Effekte bereits eingetreten.
Bis zu 85% der Unternehmen haben im Jahr 2008 Auftragsrückgänge (in der Anzahl der Aufträge wie im Gesamtauftragsvolumen) und damit deutliche Einbrüche im Jahresumsatz erlitten. Zudem werden 2008 viele Investitionen (im In- und Ausland) reduziert oder zeitlich verschoben.
Für das Jahr 2009 erhöht sich die Anzahl der negativ betroffenen Unternehmen. Die Automotive Zulieferindustrie Österreichs rechnet insgesamt mit weiteren Rückgängen beim Umsatz (bei 63% der Unternehmen mehr als 10% Umsatzrückgang 2009; bei 3% sogar mehr als 75%), bzw. Auftragvolumen (bei 62% der Unternehmen mehr als 10% Schrumpfung des Auftragvolumens); wobei Unternehmen, die gänzlich dem Automotiven Sektor zugeteilt sind, von überdurchschnittlichen Einbußen ausgehen.
Es wird im Jahr 2009 damit Rückgänge in der Produktion, der Wertschöpfung und der Beschäftigung geben. Ersten Schätzungen zufolge könnte daraus ein volkswirtschaftlicher Schaden in Höhe von bis zu 1,76 Mrd. EUR an direkter und indirekter Wertschöpfung entstehen (18,6% der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfungseffekte der Automotiven Zulieferindustrie Österreichs) bzw. ein gesamtwirtschaftlicher Verlust von bis zu 33.000 Beschäftigungsverhältnissen drohen – dies allerdings nur, wenn sich die Krise mindestens bis 2010 erstreckt.
Ein vollständiges Zerbrechen von Partnerstrukturen oder Wegbrechen von wichtigen Teilen der Wertschöpfungskette ist (noch) nicht zu beobachten. 7% der Automotiven Unternehmen sind aufgrund der Finanz/-Konjunkturkrise bis dato Kooperationspartner gänzlich abhanden gekommen. Hinsichtlich etablierter Kunden beträgt die Ausfallsrate bisher 18%. Für 2009 wird allgemein mit einer Verschlechterung der Situation, nicht aber mit völligen Zusammenbrüchen gerechnet.
Einzig die Situation im Hinblick auf Auslandsinvestitionen dürfte sich im Jahr 2009 etwas entspannen. Dies ist dadurch zu erklären, dass sich durch die globale Dimension der Finanz/-Konjunkturkrise besondere Übernahmemöglichkeiten bieten. 61% der Unternehmen sind der Ansicht, dass die derzeitige Krise Übernahmen schwächerer oder angeschlagener Konkurrenten ermöglicht.
Etwa drei Viertel derjenigen Unternehmen, die in die EU-15 und die Schweiz exportieren, sehen diese Märkte von der Finanzkrise besonders betroffen, rund 30% der (direkten) Exporteure sehen die Region USA und Kanada als übermäßig beeinträchtigt an.
13% sind der Ansicht, dass die negativen Effekte der Krise im Unternehmen bis Mitte 2009 deutlich spürbar sein werden (z.B. signifikante Auftragsrückgänge), 41%, dass die Situation bis Ende 2009 anhalten wird, 38% nennen als Zeithorizont Ende 2010. Der Rest erwarten, dass die Auswirkungen der Krise bis 2011 und länger im Unternehmen spürbar sein werden. Damit rechnet rd. die Hälfte der Unternehmen mit einem Einbruch von längerer Dauer. Die Ansicht, dass nach dem Durchtauchen der Krise ein sehr rascher Aufschwung zu erwarten ist, bringen relativ wenige Vertreter der Automotiven Zulieferindustrie Österreichs zum Ausdruck.
37% der Unternehmen erwarten durch die Krise eine Verschlechterung der Finanzierungsmöglichkeiten für ihr Unternehmen; bei jenen, die ausschließlich im Automotiven Bereich wirtschaften, sind es mehr als die Hälfte. Wobei 88% der Unternehmen allgemein der Meinung sind, dass Finanzinstitute nun restriktiver Kredite vergeben als dies vor Beginn der Finanz/-Konjunkturkrise der Fall war.
Gerade im Hinblick auf einzigartige (v.a. ausländische) Übernahmemöglichkeiten schwächerer oder angeschlagener Konkurrenten wäre eine enge Zusammenarbeit zwischen der Automotiven Zulieferindustrie und einem kompetenten Finanzsektor wichtig. Mehr als ein Viertel der Unternehmen sind der Ansicht, dass Investitionen im Ausland sehr schwierig sind, weil Banken als kompetente Partner wegbrechen.
Um die negativen Effekte der Krise aus eigener Kraft einzudämmen, haben viele Unternehmen bereits im Jahr 2008 Schritte gesetzt bzw. sind nun dabei diese umzusetzen. Je mehr als drei Viertel der Unternehmen haben bis dato ihren Ausschuss minimiert (84%), haben Sparmaßnahmen bei den Gemeinkosten (78%) gesetzt, die Fremdvergabe von Leistungen reduziert und/oder die Produktion allgemein gedrosselt (jew. 75%). 74% der Unternehmen haben bereits Leiharbeiter freigestellt, bei 59% kam es zu Kürzungen bei Ausgaben für Rohmaterialien und Kaufteilen, 54% entschieden sich für die Vertragsauflösung von befristeten Beschäftigten sowie zu (partiellen) Kündigungen bei der Stammbelegschaft. Untergeordnete Themen sind bis dato unbezahlte Mehrarbeit (12%), Kurzarbeit (10%), die Ausgliederung von Teilbereichen (8%) sowie Lohnsenkungen (6%). Für 2009 wird mit ähnlichen Strategien in dieser Struktur zu rechnen sein; mit einer Ausnahme: fünfmal so viele Unternehmen der Automotiven Zulieferindustrie Österreichs planen Kurzarbeit einzuführen (50%), als es bis dato der Fall ist – und dabei insbesondere Unternehmen, die zu 100% Automotiv sind (62%).
Grosso modo ist die Automotive Zulieferindustrie Österreichs der Ansicht, dass die aktuelle Finanz/-Konjunkturkrise anhaltende Prozesse in der Automotiven Zulieferindustrie weiter beschleunigt.
Rückfragehinweis:
Dr. Herwig W. Schneider
schneider@iwi.ac.at