Die IWI-Studie „Stärken und Schwächen des wirtschaftspolitischen Entscheidungssystems“ nimmt die Politikberatung in Österreich und Deutschland unter die Lupe. Die Vorstellung der Ergebnisse der Studie fand im Rahmen der diesjährigen „Gespräche zur Industriepolitik“ statt, wobei Univ.-Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann als Keynote Speaker zum Thema „Beratung als Entscheidungsbeitrag oder Feigenblatt?“ die im Heft 04/07 der Quartalszeitschrift „industrie aktuell“ in Auszügen wiedergegebene Rede gehalten hat. Die aktuelle Ausgabe von „industrie aktuell“ enthält ebenso eine Zusammenfassung der Statements aller anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Podium der Veranstaltung.
Univ.Doz. Dr. Heinz Handler präsentierte als Hauptautor der IWI-Studie deren wesentlichste Inhalte: Die online und in Einzelinterviews befragten Experten bewerten das wirtschaftspolitische Entscheidungssystem in Deutschland wie auch in Österreich eher negativ und sehen in der Inanspruchnahme von Politikberatung eher einen Versuch der Untermauerung der Glaubwürdigkeit.
Der von Experten im Rahmen der Studie vorgebrachte Vorschlag, im Parlament eine eigene Beratungseinrichtung zu schaffen, die Fakten außer Streit stellen und einen Konsens herbeiführen soll, wird von Generaldirektor Dr. Wilfried Stadler (Investkredit Bank AG) begrüßt. Diese Einrichtung könne ein neuer „Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen“ werden.
Ein Plädoyer für eine professionelle Nutzung der Medien hält Univ.-Prof. Mag. DDr. Friedrich Schneider (Johannes Kepler Universität Linz). Um in der Politikberatung etwas zu erreichen, muss man sich als Wissenschafter den Medien aussetzen. Dabei dürfe man aber nicht der Versuchung unterliegen, ungeprüfte oder nicht abgesicherte Aussagen zu tätigen.
Nationalratsabgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Die Grünen) stellt die „echte“ Beratung durch Fachleute einer unter Marketinggesichtspunkten gesuchten Beratung gegenüber. Sie wünscht sich eine möglichst objektive, wichtige Projekte durch Beiräte begleitende und Politik evaluierende Beratung, wobei sie den Medien die Rolle einer kritischen Kontrollinstanz zuordnet.
Auf Basis eigener Politikerfahrung unterstreicht Dr. Ulrike Baumgartner-Gabitzer, Mitglied des Verbund-Vorstandes, das Interesse der Politik an kurzfristiger wie langfristiger Beratung. Als wissenschaftliches Korrektiv der eher kurzfristig orientierten Politik wäre eine „Weisenrat“ sinnvoll, der Diskussionen anstoßen und langfristige Perspektiven entwickeln sollte.
AK-Direktor Mag. Werner Muhm skizziert in seinem Beitrag die Entwicklung in der Politikberatung der letzten Jahrzehnte und warnt insbesondere vor einer verstärkten Verdrängung herkömmlicher Beratung durch Lobbyismus. Er sieht eine – positive – Rückbesinnung in Richtung einer verstärkten gemeinsamen strategischen Ausrichtung der Wirtschaftpolitik, mitgetragen von den Sozialpartnern.
Verschiedene Aspekte der Politikberatung werden von IHS-Direktor Univ.-Prof. Dr. Bernhard Felderer thematisiert: Er ortet eine weiterhin ungefährdete Position der großen Wirtschaftsforschungsinstitute in der langfristigen Beratung aufgrund der vorhandenen wissenschaftlichen Kapazitäten, rasche Antworten könnten Wirtschaftsforscher aber nicht geben.