Industrie: Indien nicht länger die unterschätzte Wirtschaftsmacht

Die österreichische Industrie hat die Chancen aus dem EU-Beitritt, der Ostöffnung und aus der Globalisierung aktiv gesucht und Exporterfolge realisieren können. Seit Österreichs Beitritt zur EU im Jahre 1995 haben sich Österreichs Ausfuhren weltweit um nominell 171 % von 42 auf 114 Mrd. Euro gesteigert. „Die Außenhandelsstatistik zeigt, dass nicht nur bestehende Märkte z.B. Deutschland stärker bearbeitet wurden, sondern der ,Radius‘ der österreichischen Exportwirtschaft erheblich ausgeweitet werden konnte“, unterstreicht der Industrieökonom Herwig Schneider, Geschäftsführer des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI): „Aufgrund überdurchschnittlicher Exportsteigerungen nach Amerika und Asien hat sich der Anteil der Exporte nach Übersee seit Mitte der 1990er Jahre um beachtliche dreieinhalb Prozentpunkte auf 16,6 % erhöht.“

Eine noch wenig beachtete Erfolgsgeschichte ist die verstärkte Präsenz österreichischer Unternehmen am indischen Markt. „Die Exporte nach Indien sind allein im Jahr 2007 um 42 % gestiegen, gegenüber 1995 sogar um über 400 %“, weiß Manfred Engelmann, Geschäftsführer der Bundesparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich: „Laut unserem Handelsdelegierten in New Delhi bestehen derzeit bereits 75 österreichische Niederlassungen und Joint-Ventures in Indien, wovon knapp die Hälfte in den letzten drei Jahren gegründet wurden.“ Besondere Marktchancen ergeben sich durch den Nachholbedarf bei der Entwicklung der indischen Infrastruktur sowie einer gestiegenen Konsumnachfrage der indischen Bevölkerung. Aktuelle Schwerpunkte der Exporte liegen in den Bereichen Maschinen und Apparate; Eisen und Stahl, Mess- u. Prüfinstrumente sowie Komponenten für Kraftfahrzeuge und Schienenfahrzeuge.

Der österreichische Handelsdelegierte in Indien, Hans-Jörg Hörtnagl, ist einer der Autoren beziehungsweise Interviewpartner, die in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „industrie aktuell“ über Erfahrungen und Chancen am indischen Markt Auskunft geben. Zusätzlich kommen insgesamt fünf Unternehmen ausführlich zu Wort, die in unterschiedlicher Weise am indischen Markt präsent sind: Im Projektgeschäft ebenso wie durch flächendeckende Niederlassungen, im Alleingang und über Joint-Ventures, im Produktionsbereich wie im Bereich der wirtschaftsnahen Dienstleistungen. Darunter sind relativ kleine Familienbetriebe ebenso wie große, börsenotierte Unternehmen. Dadurch entsteht ein buntes Bild eines vielschichtigen Landes.

Abgerundet wird die Darstellung durch die Asienexpertin des Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), Waltraut Urban, die Indien und China vergleicht, und einer Einschätzung der Marktchancen durch Alan Rosling, dem bei der indischen Tata Group für die Internationalisierung zuständigen Manager.

„Gemessen an der Wirtschaftsleistung liegt Indien weltweit an zwölfter Stelle, berechnet zu Kaufkraftparitäten sogar an vierter Position“, umreißt Herwig Schneider den Stellenwert Indiens: „Mit Wachstumsraten von über 8 % in fünf Folgejahren ist Indien weltweit einer der interessantesten Märkte geworden.“ Dennoch wird die Bedeutung Indiens in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung – aber auch von vielen Unternehmen – weiterhin unterschätzt und findet insbesondere im Vergleich zu China relativ wenig Beachtung. Die aktuelle Ausgabe von „industrie aktuell“ soll dazu beitragen, dass sich dies ändert.

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