„Internationale Leitbetriebe sind die Kernsubstanz des Standortes Österreich. Es sind jene Unternehmen, deren Bedeutung und Beitrag zu Wachstum und Wohlstand in Österreich gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann“, erklärte der Präsident der Industriellenvereinigung, Dr. Veit Sorger heute, Montag, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Andrea Berghofer, Geschäftsführerin der Adler-Werk Lackfabrik J. Berghofer GmbH&Co und dem Vorstandsvorsitzenden der voestalpine AG Dr. Wolfgang Eder sowie Dr. Herwig Schneider, Geschäftsführer des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI).
Angesichts der Überschreitung des Konjunkturgipfels müsse man sich heute mehr denn je fragen, wo die Unternehmen sind, die aufgrund ihrer starken Vernetzung mit anderen Unternehmen und ihrer hohen Vorleistungsnachfrage die höchsten Multiplikatoreffekte in der Volkswirtschaft auslösen. Österreich müsse gerade heute den Fokus auch auf jene Unternehmen richten, die für das Gedeihen und Überleben ganzer Regionen hauptverantwortlich sind, betonte der IV-Präsident. Als wichtige Knotenpunkte der Innovations- und Wachstumsdynamik kristallisieren sich dabei mehr und mehr internationale Leitbetriebe heraus. „Wir meinen damit jene Unternehmen, die als Headquarter oder als standortmobile Entscheidungszentralen größerer, multinationaler Unternehmen in Österreich entscheidende Rollen als Arbeitgeber, Kooperationspartner und Auftraggeber für KMU, aber auch als Forschungs- und Entwicklungszentralen und Stützen des Exports inne haben“, so Sorger.
Klein- und Mittelbetriebe „leben“ und agieren in einer Schicksalsgemeinschaft mit diesen Leitbetrieben, wie eine aktuelle Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI) im Auftrag der IV eindrucksvoll bestätigt. Durch ihre große Vorleistungsnachfrage nach hochwertigen Produkten und Dienstleistungen lösen die 103 untersuchten Leitbetriebe enorme indirekte Effekte in der Volkswirtschaft aus. Diese reichen weit über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus und sichern, vor allem bei KMU, zusätzliche Arbeitsplätze, Produktion und Wertschöpfung.
Wie befruchtend die Symbiose innerhalb von Unternehmensnetzwerken nicht nur für die regionale Volkswirtschaft, sondern auch für die Betriebe selbst sein kann, machte Andrea Berghofer, Geschäftsführerin der Adler-Werk Lackfabrik J. Berghofer GmbH&Co., am Beispiel des mittelgroßen Traditions-Leitbetriebs Adler-Werk-Lackfabrik deutlich. „Aufgrund der Vielzahl von Kunden sind wir eng verbunden mit ganz kleinen Unternehmen, die für uns eine wesentliche Basis darstellen. Aber auch mit den großen Industrien, deren Anforderungen wir annehmen, sodass letztlich ebenfalls die kleinen von diesen Entwicklungstätigkeiten profitieren. Ein speziell für einen Großbetrieb nach dessen Anforderungen entwickeltes Anstrichsystem kann auch für einen kleinen Tischlerbetrieb von Vorteil sein!“ sagte Berghofer.
Optimale Rahmenbedingungen für Leitbetriebe schaffen
„Wie die neue IWI-Studie zeigt, messen die befragten Leitbetriebe vor allem den Bereichen hochqualifizierte Arbeitskräfte und Arbeitszeitflexibilisierung die größte Bedeutung zu, wenn es um die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes geht“, betonte IV-Präsident Sorger. Neben der Qualität und Sicherheit der Energieversorgung werden Weiterbildung im Beruf, Verkehrsinfrastruktur, Flexibilisierung der Entgeltsysteme, Energiekosten, Effizienz der Bürokratie, Spitzensteuersätze und Forschungsförderung als weitere entscheidende Faktoren der Standortattraktivität eingestuft.
„Internationalen Leitbetrieben wird in Zukunft eine immer stärker werdende Bedeutung für Österreich zukommen. Wir alle sind gefordert uns dafür zu engagieren, die bereits angesiedelten Leitbetriebe an den heimischen Standort zu binden und sie zu weiteren Investitionen zu ermutigen. Daher dürfen die Warnsignale nicht ignoriert werden, die auf die Gefährdung der Drehscheibenfunktion Österreichs bei internationalen Unternehmen hinweisen“, warnte Sorger. Je mehr Leitbetriebe man für Österreich zusätzlich gewinnen oder entwickeln könne, desto besser sei es für Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand. Den grundsätzlich erfreulichen politischen Ankündigungen zur Stärkung des Standortes Österreich für internationale Leitbetriebe müssten nun umgehend konkrete Maßnahmen folgen. Der Standort Österreich benötige beides: Klein- und Mittelbetriebe als Rückgrat der heimischen Wirtschaft und international agierende Leitbetriebe. Klein braucht Groß, und Groß braucht Klein – ein Prinzip, das im Besonderen für den Wirtschaftsstandort Österreich gelte.
Veit Sorger veranschaulichte die enorme Bedeutung der Leitbetriebe für Beschäftigung: „Wird durch kluge Standortpolitik 1 Arbeitsplatz in einem Leitbetrieb geschaffen, entstehen 2 weitere außerhalb des Leitbetriebs – vor allem in KMU. Wird 1 Arbeitsplatz in einem Leitbetrieb gefährdet, riskiert man 2 weitere – vor allem in KMU!“
„Die enorme Bedeutung der internationalen Leitbetriebe für die österreichische Volkswirtschaft ist unbestritten. Daher müssen wir uns auch zukünftig permanent um die Erhöhung der Standortattraktivität kümmern, denn nur so kann es uns gelingen, „neue“ Leitbetriebe ins Land zu bringen und bestehende zu halten! Als Unterstützung für die Politik schlagen wir die Einrichtung einer hochrangigen Expertenrunde mit internationaler Erfahrung vor. Diese „High Level Task Force-Leitbetriebe“ soll mithelfen, die von der Bundesregierung im Regierungsprogramm und dem Außenwirtschaftsleitbild formulierten Maßnahmen für internationale Leitbetriebe zu konkretisieren und deren Umsetzung begleiten“, betonte im Anschluss Dr. Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voestalpine AG.
Zur Standortabsicherung und -attraktivierung bedürfe es dabei einer Vielzahl von Maßnahmen. Ein Bildungssystem, das die Verfügbarkeit des qualifizierten Nachwuchses sicherstellt. Eine klare, wettbewerbsfaire und langfristig verlässliche Umweltgesetzgebung, um notwendige Wachstums- und Investitionsentscheidungen rechtzeitig treffen zu können und eine Anhebung der Forschungsprämien und -freibeträge zur Förderung der Innovationskraft in Österreich, so Eder abschließend.
Schrittmacher für Innovation
„Internationale Leitbetriebe verantworten nicht nur einen großen Teil des Wohlstandes von heute, sie bestimmen auch die Produktion, Wertschöpfung und Beschäftigung von morgen. 103 dieser Unternehmen investieren im Jahr 2006 mit mehr als 11.000 F&E-Beschäftigten 2,24 Mrd. Euro in unternehmensinterne und -externe F&E, das sind 35 Prozent der F&E-Aufwendungen in Österreich insgesamt“, gibt sich Dr. Herwig W. Schneider, Studienautor und Leiter des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI), von der Bedeutung Internationaler Leitbetriebe überzeugt. „Die Unternehmen generieren aufgrund ihrer zahlreichen Kooperationen und sonstigen Verflechtungen in der österreichischen Volkswirtschaft zusätzlich indirekte F&E-Aktivitäten: Für 100 F&E-EUR werden national und international weitere 25 F&E-EUR in vorgelagerten Wirtschaftsbereichen nachgefragt“, so Schneider. Für die Zukunft sieht der Innovationsökonom gute Vorzeichen: „Mehr als 82 Prozent der Unternehmen haben ihre F&E-Ausgaben in den letzten Jahren österreichweit ausgebaut; über 72 Prozent der Unternehmen planen, diese auch in Zukunft zu steigern.“
Weitere Ergebnisse im Detail
Die 103 untersuchte österreichische Leitbetriebe
… kooperieren mit rund 95.000 Zulieferbetrieben, 87 Prozent davon sind KMU – im Durchschnitt kooperiert jeder Leitbetrieb somit mit ca. 1.000 Zulieferbetrieben.
… stehen für eine generierte Wertschöpfung von 35,27 Mrd. Euro oder 15 Prozent der österreichischen Bruttowertschöpfung Österreichs.
… sind für 459.000 Arbeitsplätze oder 11 Prozent der Gesamtbeschäftigung verantwortlich, wobei 164.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt in den Unternehmen beschäftigt sind, 295.000 „außerhalb“.
… bewirken Arbeitnehmerentgelte von insgesamt 14 Mrd. Euro oder 11 Prozent.
… bewirken jährlich Arbeitnehmer-induzierte Abgaben von insgesamt 7,38 Mrd. Euro.
… stehen für einen Export im Wert von 36,41 Mrd. Euro oder 35 Prozent der gesamten österreichischen Warenexporte.
… bewirken ein generiertes Investitionsvolumen von rund 8,2 Mrd. Euro oder 15 Prozent der gesamten Bruttoinvestitionen Österreichs.
… stehen für eine generierte Produktion (gesamte Produktion der 103 Unternehmen plus Produktion der Lieferanten) von mehr als 88 Mrd. Euro.
… investieren pro Jahr rund 295 Mio. Euro in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.