Die jüngste von der Industriellenvereinigung Niederösterreich durchgeführte Konjunkturumfrage – an der insgesamt 34 Unternehmen mit 31.311 Mitarbeitern teilnahmen – zeichnet ein ambivalentes Bild: die konjunkturellen Störfaktoren nehmen zu. Damit die Industrie auch zukünftig „Motor des Landes“ bleiben kann, fordert die IV-Niederösterreich Reformen.
Wien (PdI) Erwartungsgemäß hat sich der Aufschwung in der niederösterreichischen Industrie im dritten Quartal deutlich abgeschwächt. „Das Ergebnis der aktuellen Konjunkturumfrage reflektiert einerseits eine Normalisierung des Geschäftsgangs: die Produktionseinbußen aus den Jahren 2008 und 2009 sind beinahe wettgemacht. Darüber hinaus hat aber zuletzt die Anzahl der konjunkturellen Störfaktoren deutlich zugenommen.“, so der Präsident der IV-Niederösterreich, Johann Marihart. Insbesondere die gravierenden strukturellen Probleme der EU-Mitgliedsstaaten Portugal, Spanien, Italien und Irland verunsichern Investoren und Konsumenten gleichermaßen.
Trotz aller Spannungen zehren die Unternehmen von einem nach wie vor soliden Auftragspolster: Laut der Umfrage der IV-Niederösterreich beurteilt der überwiegende Teil der Unternehmen (73 Prozent) ihre Auftragslage positiv, im Vergleich zum Vorquartal (93 Prozent positive Rückmeldungen) ist nichts desto trotz ein Rückgang zu bemerken. Fazit: die positive Konjunkturlage im ersten Halbjahr 2011 hat eine gute Auftragsbasis in der heimischen Industrie geschaffen, die Konjunktur-Spitze ist jedoch überschritten.
Verhaltene Erwartungen für die kommenden 6 Monate
Das spiegelt sich insbesondere in den Zukunftserwartungen der Unternehmen wider: waren im Zuge der letzten Konjunkturumfrage noch 67 Prozent der Unternehmen überzeugt, dass auch in 6 Monaten gute Geschäfte zu machen sind – reduzierte sich dieser Wert zuletzt auf zwei Prozent. 87 Prozent der NÖ-Unternehmen rechnen mit einer Stagnation ihres Geschäfts, 11 Prozent mit einer rückläufigen Entwicklung über das kommende Halbjahr.
Ganz ähnlich sehen die Erwartungen bezüglich der Ertragslage in 6 Monaten aus: per Saldo (Saldo der positiven und negativen Unternehmensrückmeldungen) sind die Erwartungen hier mit 3 Prozentpunkten negativ.
Aufschlüsselung nach Branchen
Aktuell gute Auftragsdaten weist die für Niederösterreich besonders wichtige Maschinen- und Metallwarenindustrie auf: 76% der befragten Unternehmen geben an, aktuell über einen guten Auftragsstand zu verfügen. 59% der Unternehmen schätzen auch ihre allgemeine Geschäftslage positiv ein. Ganz ähnlich die Lage der Chemischen Industrie: aktuell werden Aufträge und Geschäftslage überwiegend positiv beurteilt, zukünftig wird mit einer Stagnation beider Indikatoren gerechnet.
„Für die Bauindustrie rechnen wir saisonbedingt mit Rückgängen im Produktionsvolumen.“, so Dr. Andreas Ludwig, Vorstandsvorsitzender einer der wichtigsten niederösterreichischen Leitbetriebe, der Umdasch AG. „Aufgrund unserer konsequent internationalen Ausrichtung sind wir als Unternehmen davon jedoch nicht betroffen“, so Ludwig weiter.
Leitbetriebe als Leistungsträger des Landes
Wie wichtig dabei gerade Leitbetriebe (LCUs) – wie der Schalungs- und Shopfitting-Spezialist Umdasch – für die regionale Wirtschaft sind, zeigt die aktuelle Leitbetriebe-Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI), an der in diesem Jahr 9 Niederösterreichische Schlüsselunternehmen teilnahmen. „Die Studie zeigt, dass die Niederösterreichischen Leitbetriebe zwar von der Krise stark getroffen wurden – diese jedoch gut gemeistert haben“, so Herwig Schneider, Geschäftsführer des Industriewissenschaftlichen Instituts.
IV-Präsident Johann Marihart betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Leitbetriebe für den Wirtschaftsstandort: „Allein die neuen niederösterreichischen Leitbetriebe fungieren als Auftraggeber- und Kooperationspartner für rund 3.800 inländische und ausländische KMU“, so der Präsident. Ein NÖ Leitbetrieb sichert somit zusätzliche Arbeitsplätze, Produktion und Wertschöpfung bei durchschnittlich 420 KMU.
Auch die Folgewirkungen für Produktion und Wertschöpfung sind eindrucksvoll: eine von Niederösterreichs Leitbetrieben ausgehende Produktion in der Höhe von 1.000 EUR bewirkt in der österreichischen Volkswirtschaft in Summe einen Produktionswert von 2.210 EUR. Analog hierzu generiert eine Wertschöpfung im Ausmaß von 1.000 EUR, bedingt durch die neun Niederösterreichischen LCU, in Österreichs Wirtschaft aufgrund von Wirtschaftsverflechtungen eine Wertschöpfung von 2.440 EUR, so die Studie.
Direkt, indirekt und induziert generierten neun Niederösterreichische LCU im Jahr 2009 in Österreichs Wirtschaft eine Produktion im Umfang von bis zu 7,78 Mrd. EUR (1,53% Anteil an der österreichischen Gesamtwirtschaft 2009), eine Wertschöpfung von bis zu 2,67 Mrd. EUR sowie rd. 21.800 Arbeitsplätze bzw. rd. 19.400 Vollzeitäquivalente bei akkumulierten Arbeitnehmerentgelten in der Höhe von bis zu 735 Mio. EUR.
Bundespolitischer Stillstand als Gefahr
Als wichtigste Maßnahme um die konjunkturelle Situation zu stützen sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts im internationalen Vergleich zu erhöhen, fordert die IV Niederösterreich die rasche Umsetzung dringend erforderlicher Reformen.
„Gerade in dieser sensiblen Phase einer drohenden Stagnation braucht die Industrie die besten Rahmenbedingungen um Wettbewerbsfähigkeit und tausende Jobs aufrecht zu erhalten.“, so IV-Niederösterreich Präsident Johann Marihart. “Immer neue Forderungen nach zusätzlichen Belastungen für die Unternehmen schaden dem Standort gerade jetzt mehr denn je“.
„Daher brauchen wir auch in Österreich eine Schuldenbremse, wie etwa in Deutschland oder Schweden.“, so der Präsident, der die aktuellen Bestrebungen der Österreichischen Politik begrüßt. „Gerade heute ist die Gefahr groß, dass ohne entsprechende Reformen der Zinsanteil am öffentlichen Budget aus dem Ruder läuft. Für zukunftsweisende Investitionen bleibt dann kein Raum mehr.“, so Marihart abschließend.